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Sparsamkeit gilt den Deutschen als Tugend. Umso erschütternder ist, wie dämlich sie sich dabei anstellen. Obwohl sie sparen wie die Weltmeister, werden sie nicht reicher - sondern ärmer. Der deutsche Durchschnittshaushalt hat binnen zehn Jahren real 20.437 Euro seines Vermögens verloren. Das ist der Wert eines fabrikneuen Mittelklasseautos: Einfach futsch. Und die Europäische Zentralbank hat vergangenes Jahr eine Studie vorgelegt, wonach das mittlere Nettovermögen in Deutschland noch nicht mal halb so groß ist wie in Frankreich, Spanien, Italien. Selbst die Griechen waren bis vor Kurzem reicher als die Deutschen. Die Griechen! Ausgerechnet.

Deutschland spart sich arm

Lebensversicherung, Riester, Bausparvertrag: Die Deutschen halten sich für Sparmeister. Dennoch werden sie nicht reicher - sondern ärmer. Das liegt auch an einer falschen Politik.

Die Deutschen sind zu dumm zum Sparen. (Lesen hier die Titelgeschichte im aktuellen SPIEGEL zu dem Thema). Das kratzt am Selbstbild. Sie haben das Bausparen mit erfunden, das Vereinssparen, das Möbelsparen, das Sparschwein. Deutschland dürfte das einzige Land der Welt sein, in dem mehr Lebensversicherungen angespart werden, als es überhaupt Einwohner gibt. Kanzlerin Angela Merkel erhob die schwäbische Hausfrau mit ihrer sprichwörtlichen Sparsamkeit zum Leitbild deutscher Regierungskunst.

 

Ohne Zins und Verstand

 

Doch der durchschnittliche deutsche Sparer ist ein Narr. Er geizt ohne Zins und Verstand. Er vernichtet sein Vermögen, anstatt es zu vermehren. Er bunkert sein Geld auf Sparbüchern und Girokonten, wo es wegen der mickrigen Zinsen von Tag zu Tag real an Wert verliert. Oder er fällt den etwa 300.000 Versicherungsvertretern und Anlageberatern zum Opfer und lässt sich unrentable Anlagen aufschwatzen.

Vor allem jedoch wird dem deutschen Sparer seine Staatsgläubigkeit zum Verhängnis. Weit mehr als zehn Millionen Bürger zahlen in staatlich geförderte Riester-Verträge zur privaten Altersvorsorge ein, obwohl längst klar ist, dass sie sehr, sehr alt werden müssen, um hier einen Gewinn zu machen. Durchschnittlich jeder siebte einbezahlte Euro ist nämlich nicht für den Vermögensaufbau bestimmt, sondern landet als Provision und Gebühr in den Kassen der Versicherungsunternehmen. Die Riester-Rente ist ein besonders eklatantes Beispiel dafür, wie auch der Staat seine Bürger mit falschen Versprechungen in die Falle lockt.

 

Mehr Wirtschaftswissen

 

Wenn Millionen Menschen daran scheitern, sich ein kleines Finanzpolster zuzulegen, hat die Gesellschaft ein Problem. Die Zeiten, in denen die gesetzliche Rente für den Lebensabend reichte, sind vorbei. Es droht Altersarmut. Wenn die Bundesregierung verhindern will, dass eine wachsende Zahl alter Menschen von staatlicher Hilfe leben muss, darf sie das Unvermögen der Deutschen nicht länger ignorieren.

Das Ziel der Politik muss sein, die Deutschen zu besseren Sparern zu machen. Staatliche Förderprogramme und Steueranreize dürfen nicht länger dazu führen, dass Risiken und mickrige Renditen vernebelt werden. Die Wirtschaftsexperten, die sich im aktuellen SPIEGEL für eine radikale Reform der privaten Altersvorsorge aussprechen, haben recht. Es braucht eine Alternative zur Riester-Rente, eine bessere betriebliche Altersvorsorge, eine bessere Eigenheimförderung.

Und die Politik sollte dafür sorgen, dass an den Schulen mehr Wirtschaftswissen gelehrt wird, als es heute der Fall ist. "Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete und Versicherung. Aber ich kann ne Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen", twitterte vor einem Jahr die Kölner Abiturientin Naina Kümmel und löste damit eine Debatte aus, an der sich auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka beteiligte.

Inzwischen ist Naina Kümmel fast 19, aber am Unterricht in den Schulen hat sich nichts geändert.

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Ein Artikel von Spiegel Online  http://www.spiegel.de/wirtschaft/geldanlage-die-deutschen-versagen-beim-sparen-a-1078514.html

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